Wie die Künstliche Intelligenz den Menschen nicht vergisst

Künstliche Intelligenz erlebt rasante Technologiesprünge.
Der Think Tank von Austrian Standards zeigt menschliche Schwächen von KI und Lösungen auf.

Austrian Standards ist die österreichische Organisation für Standardisierung und Innovation. Mehr als 4.500 österreichische Expert:innen gestalten Zukunftsthemen in einem weltweiten Branchennetzwerk mit. Gerade für die Twin Transition – die digitale und grüne Transformation – braucht es Standards. Sie schaffen einen klaren Rahmen und damit Qualität, Sicherheit und Vertrauen.

Im Präsidialrat von Austrian Standards International versammelt sich das Who-is-Who der heimischen Wirtschafts-, Forschungs- und Industrieszene. Der Think Tank widmet sich neben akuten Themen auch mittel- und langfristigen Trends, deren Chancen für die exportstarke österreichische Wirtschaft gestaltbar sind. Am 14. November stand die Zukunft mit Künstlicher Intelligenz und Robotik im Mittelpunkt.

Martina Mara

Künstliche Intelligenz muss diverser und verständlicher entscheiden

Die Technikpsychologin Martina Mara (Leitung LIT Robopsychology Lab an der Johannes Kepler Universität Linz) sorgte mit ihrer Keynote für wichtige Diskussionsimpulse. Die Anforderungen für eine menschenzentrierte Technologieentwicklung steigen. Die Praxis zeigt, dass KI-Anwendungen mitunter frauenfeindliche oder rassistische Ergebnisse liefern. Das heißt aber nicht, dass die Technik selbst menschenfeindlich ist. KI-Anwendungen sind da vielmehr wie ein Spiegel und führen uns menschliche Vorurteile vor Augen, die der KI mit den Trainingsdaten antrainiert wurden. Damit steigt die Gefahr, dass eine einseitige Datengrundlage in der Folge Ungleichheiten produziert, z. B. in der Analyse von Vorhersagemodellen oder in der Funktionalität von Spracherkennungsprogrammen.

Die anschließende Diskussionsrunde moderiert von Gudrun Ghezzo (Ghezzo GmbH) mit den Präsidialratsmitgliedern spannte den Bogen zum Wirtschafts- und Innovationsstandort Österreich. Brigitte Bach (Geschäftsführerin des AIT Austrian Institute of Technology), Eva Czernohorszky (Leitung Technology Services der Wirtschaftsagentur Wien) und Roland Sommer (Geschäftsführer des Vereins Industrie 4.0 Österreich) skizzierten weitere Best Practices aus Forschung, Gesundheit und Produktion. Eine Reihe von KI-High-Flyern kommt erfreulicherweise aus Europa – auch aus Österreich. Mit vertrauensbildenden Regulatorien wie z. B. dem Artificial Intelligence Act in der richtigen Ausprägung kann sich der europäische Markt abheben und im internationalen Wettbewerb behaupten.

Künstliche Intelligenz braucht dafür dringend mehr Diversität und muss verständlicher werden. Wenn Datensätze besser kuratiert sind, bilden die Ergebnisse mehr Perspektiven ab. Wenn KI-Entscheidungen besser erklärbar sind, können KI-Systeme schneller voneinander lernen, werden Daten auch unternehmensübergreifend geteilt und es entstehen gemeinsame Daten-Ökosysteme. Hier liegt das wahre Potenzial für Effizienzsteigerung. Deshalb sind die Stichwörter der Stunde Unbiased und Explainable AI.

v.l.: Valerie Höllinger, Gudrun Ghezzo, Eva Czernohorszky, Brigitte Bach, Martina Mara, Roland Sommer, Anton Ofner

Wenn Maschinen von Maschinen lernen braucht es umso mehr Standards

Anton Ofner, Präsident von Austrian Standards International, fasst den Outcome der Präsidialratssitzung zusammen: „Durch den KI-Vormarsch findet nicht nur ein Technologiewandel statt, sondern ein umfassender Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Es braucht mehr Kompetenz im Umgang mit und in der Bewertung von Daten. Wir haben genügend Beispiele gesehen, wohin euphorische Technologieentwicklungen führen, wenn es keine Standards gibt.“

Künstliche Intelligenz eröffnet ein breites Spektrum an neuen Produkten, Dienstleistungen und Marktchancen. „Dabei ist das Konzept der KI nicht neu. Die neue Ära entsteht durch die exponentiellen Sprünge in den Rechenleistungen und der algorithmischen Durchbrüche. Maschinen lernen von Maschinen. Umso wichtiger, dass das beispiellose Wachstum nicht in einem schwarzen Loch mündet“, ergänzt Anton Ofner.

Valerie Höllinger, CEO & Managing Director von Austrian Standards, ist überzeugt, dass „die Potenziale von Künstlicher Intelligenz grenzenlos sind und einen tatsächlichen Nutzen stiften. Wir können im Gesundheitsbereich schneller Krankheiten erkennen. Wir können im Energiebereich mehr CO2 einsparen und im Produktionsbereich besser simulieren. Aber der Blick muss geändert werden: nicht mehr technologie-, sondern menschenorientiert. Dieser Wandel braucht Gestalter:innen, Moderator:innen wie uns. Gerade Standards sollen den mehr als 9 Millionen Österreicher:innen – und genau das ist seit mehr als 100 Jahren unsere Kernzielgruppe – verlässlich und nachvollziehbar zur Seite stehen“.

Die Künstliche Intelligenz treibt die digitale und grüne Transformation voran. „Die KI beeinflusst als Technologie unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Sie erfordert vernetztes und koordiniertes Engagement. In der Standardisierung bündeln wir die Perspektiven, können die Brücke zwischen Entwickler:innen und Anwender:innen schlagen. Für mehr Diversität und Verständlichkeit“, ruft Valerie Höllinger abschließend zur Mitarbeit in der Standardisierung auf. Die Türen stehen bei Austrian Standards offen.

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