Forschung, Innovation und Standards: Geschichte(n) einer Wechselwirkung

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2021-04-14

Am 2. Summit Research, Innovation and Standardization wurden die Zusammenhänge zwischen Forschungsergebnissen, Patenten und Standards näher beleuchtet. Die Kooperationsveranstaltung von Austrian Standards, vom Österreichisches Patentamt, von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und Upper Austria Research GmbH fand am 25. März rein virtuell statt.

„Patente und Standards sind wie Feuer und Wasser. Zu viel Wasser kann das Feuer löschen, wer aber richtig dosiert und gekonnt kombiniert, kann ganz neue Dinge erschaffen.“ Mit diesen Worten eröffnete Dr. Karl Grün, Director Standards Development bei Austrian Standards, den zweiten Summit Research, Innovation and Standardization am 25. März. Die Kernfrage: Wie kann man das in Forschungsprojekten erlangte Wissen durch Patente schützen und wie können sich Projekte am Markt über offene Standards durchsetzen?

In virtueller Runde versammelten sich 80 hochkarätige Gäste und lauschten den Erfahrungen von hochrangigen Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Forschungsförderung, Patentwesen, Standardisierung und von europäischen Forschungsprojekten.

Was ist der Unterschied zwischen Patenten und Standards? Wie können sie voneinander profitieren?

Grundsätzliches vorab: Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht, das von staatlichen Behörden vergeben wird und andere von der Nutzung der Innovation ausschließt. Ein Patent ist zeitlich auf 20 Jahre beschränkt und basiert im Wesentlichen auf drei Kriterien: Die Erfindung muss eine Neuheit sein, sie muss gewerblich anwendbar sein und sie darf für den Fachmann nicht naheliegend sein. Letzteres Kriterium ist oft schwierig zu beurteilen, da es viele Innovationen bereits gibt, die sich aber immer irgendwie unterscheiden und Neuerungen beinhalten. Wer seine Erfindung durch ein Patent schützt, kann sie der Öffentlichkeit präsentieren, ohne dass diese von Dritten „geklaut“ wird.

Anders der Ansatz bei Standards: Sie sind Expertenwissen, das zum allgemeinen Nutzen bereitsteht. In Bereichen, die sich schnell entwickeln – so wie beispielsweise in der Telekommunikation –, können Standards Innovationen fördern. Hier legen sie einen einheitlichen technischen Grundstein – definieren Schnittstellen und sorgen für eine gemeinsame Sprache –, damit Technologien universell anwendbar sind.

Beide, Standards und Patente, können dadurch beitragen, neuartige Lösungen erfolgreich zu vermarkten.

Standards: Spiegel der Kundenerwartungen?

Ist eine Technologie patentiert und zugleich essenzieller Bestandteil eines Standards, wird der Wirkungsgrad von Standards beschränkt, da er nur noch unter bestimmten Lizenzbedingungen verwendet werden kann. Dadurch können sich für beide Seiten Risken ergeben: Besitzern eines sogenannten standardessenziellen Patentes (SEP) kann es passieren, dass ihr Patentrecht eingeschränkt wird. Das ist der Fall, wenn Standardnutzer sich weigern, Lizenzgebühren zu zahlen.

Das führte auch Karl Grün in seinem Eingangs-Statement an: „Wenn Standards zur Barriere werden, dann müssen sie besprochen und im Einzelfall geändert werden.“ Als wesentlich betonte Grün dabei, dass sich der Markt in den Standardisierungskomitees wiederfindet. Nur so können die Erwartungen von potenziellen Kunden erfasst und für Projekte und Innovationen genutzt werden.

Standards und Innovationen: vom autonomen Fahren bis zur digitalen Forensik

Das ist durchwegs ein Vorteil: Bezieht man Standards von Anfang an mit in den Entwicklungsprozess ein, ist die Wahrscheinlichkeit höher, Unterstützer und Geldgeber zu finden.

Ein Beispiel hierfür ist das Projekt FORMOBILE, welches Dr. Christian Hummert, Leiter Digitale Forensik an der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich in Deutschland, vorstellte. Im Wesentlichen geht es darum, wie Mobiltelefone optimal ausgelesen werden, um sie in Strafverfahren als Beweismittel einsetzen zu können. Beim Entwicklungsprozess war es essenziell, sich an Standards zu halten und einige gemeinsam mit Austrian Standards neu zu definieren.

Beim Projekt war es zudem wichtig, europaweite Standards zu definieren, da sich die Regeln, wie man mit Spuren umgeht und diese ausliest, von Land zu Land unterscheiden. Durch Standards konnte das Vertrauen in die digitale Forensik gestärkt werden. Somit sind Beweise validierbar und verifizierbar und bieten wenig Angriffsfläche bei einer hohen Glaubwürdigkeit.

Diese Erfahrung machte auch Dr. Leo Schranzhofer, der mit seinen Projekten InkjetPCB (Gedruckte Elektronik) und Tinker (Sensortechniken für autonomes Fahren) von EUREKA gefördert wird. Er bestätigte, dass auch ihm Standards wesentlich dabei helfen, neue Märkte zu erschließen. So können Umsätze gesteigert werden, ohne dafür größere Investitionen tätigen zu müssen.

Enger Markt durch Patente - Ideen frühzeitig sichern

Dr. Elvira Welzig, Abteilungsleiterin Schutzrechtsmanagement beim Austria Wirtschaftsservice (AWS), betonte, dass sich die vielen Bemühungen rund um Erfindungen für die Beteiligten in jedem Fall lohnen müssen. Um Profite zu steigern, müssen Produkte sowohl national als auch international verwertet werden. Gerade der Technologiebereich wächst vor allem in Asien immer mehr. Folglich wird der Markt enger, da immer mehr Produkte und Ideen durch Patente geschützt werden.

Dr. Dietmar Trattner, Vizepräsident Erfindungen beim Österreichischen Patentamt, rät Entwicklern deshalb, gleich zu recherchieren, ob es die Ideen bereits gibt. Wenn nicht, sollte man diese schützen lassen, am besten schon, während man sich auf die Suche nach Kooperationspartnern macht. Zudem sei es möglich, auch während des Prozesses weitere Schutzrechte anzumelden. Wer rechtzeitig ein Patent anmeldet, erntet Früchte in Form von Lizenzgebühren (wenn die Nutzung abgesprochen wurde) oder Einnahmen aus Strafen (wenn die Idee illegal nachgeahmt wurde).

Dank Förderungen zum Erfolg – mit Standards zum Vertrauen der Endverbraucher?

Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG ist die zentrale Organisation für die Förderung und Finanzierung von Forschung, Entwicklung und Innovation in Österreich. Unter ihrem Dach vereinen sich Forschungsinitiativen wie EUREKA oder auch Horizon Europe. Horizon Europe ist der Nachfolger des erfolgreichen Modells Horizon 2020. Das neue europäische Forschungsrahmenprogramm ist ein EU-Förderprogramm für Forschung und Innovationen, das bis 2027 läuft. Dafür wurde der Budgetrahmen von knapp 80 Milliarden auf 97,6 Milliarden Euro angehoben. Im Wesentlichen basiert Horizon Europe auf drei Säulen: Grundlagenforschung, Global Challenges und Innovationen, vor allem derer von Start-ups.

Mag. Andrea Höglinger, Bereichsleitung Europäische und Internationale Programme bei der FFG, hob vor allem zwei der insgesamt fünf Themenfelder besonders hervor: „Der Klimawandel und die Smart Cities liegen uns besonders am Herzen. Immerhin soll es in Europa bis 2030 300 klimaneutrale Städte geben.“ Auf EU-Ebene sind auch deshalb bei Horizon Europe drei Ziele wichtig: der Green Deal, die Digitalisierung und ein stärkeres Europa in der Welt.

Standardisierungen würden hier Rahmenbedingungen fördern, um auf einem starken Binnenmarkt im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Nur mit Standards könne man es schaffen, dass diese Produkte und Erfindungen das Vertrauen vom Endverbraucher gewinnen. Die FFG ist die Kontaktstelle für Forschungsinitiativen wie EUREKA oder Horizon Europe, allerdings kein Experte in Bezug auf Standards. Gerade deshalb betonte Höglinger, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Austrian Standards auch in diesem Bereich sei.

Voneinander profitieren: Standards und Patente helfen neue Lösungen zu vermarkten

Die Veranstaltung zeigte, wie vielfältig und umfangreich Standards und Patente zusammenwirken und worauf zu achten ist. Standards sind Expertenwissen, das zum allgemeinen Nutzen bereitsteht. Sie unterstützen den Zugang zu Märkten. Patente sind die Zusicherung exklusiver Nutzungsrechte eines Alleinstellungsmerkmals. Die Integration von patentgeschützten Inhalten und Produkten darf zwar grundsätzlich nicht Gegenstand der Standardisierung sein, der Patentinhaber kann aber nachweislich erklären, allen Interessenten zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen eine Lizenz zu erteilen (FRAND-Erklärung).

Standards und Patente helfen dabei, neuartige Lösungen erfolgreich zu vermarkten. Das bedeutet eine große Unterstützung für KMU. Aus diesem Grund macht eine intensive Zusammenarbeit von Austrian Standards, dem Österreichischen Patentamt, den vielen Förderprogrammen sowie Forschern und Erfindern Sinn – sowohl für die Wirtschaft als auch die Forschung.

Präsentationen zum Download
 

Dietmar Trattner: Schutz geistiger Eigentumsrechte bei Forschung und Innovation (PDF, 945 KB)

Karl Grün: Intellectual Property Rights und offene Standards (PDF, 2,4 MB)

Elvira Welzig: Von Forschung und Entwicklung zu Business (PDF, 896 KB)

Ulrich Schuh: Eureka: Global Cooperatio in Innovation (PDF, 2,2 MB)

Andrea Höglinger: HORIZON EUROPE und die Bedeutung von Standardisierung (PDF, 427 KB)

Leo Schranzhofer: PROFACTOR (PDF, 2,3 MB)

Christian Hummert: FORMOBILE (PDF, 1,3 MB)

 

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Mirjana Verena Mully, Head of Communications

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