"Diversität und Resilienz": Allein kommt keiner weit

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22.08.2018

Präsident Franz Fischler: "Gemeinsame Standards unterstützen bei der Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft!"

Am Rande der Alpbacher Technologiegespräche, dem alljährlichen Gipfeltreffen der heimischen Forschungs-, Technologie- und Innovations-Community, tagte der Honorary Board von Austrian Standards. Das Generalthema des diesjährigen Forums - "Diversität und Resilienz" - gab Anlass dazu, sich mit der Rolle von Standards im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik, Recht und Wissenschaft auseinanderzusetzen.

Diversität ist ein zentraler Faktor, wenn es darum geht, neue und komplexe Probleme zu lösen und Resilienz zu erreichen. "Leider ist echte Diversität in vielen Bereichen noch immer eine Wunschvorstellung", konstatiert Franz Fischler, Vorsitzender des Honorary Boards und Präsident des Europäischen Forum Alpbach. "Diversität ist kein Selbstläufer. Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns interdisziplinär vernetzen und uns aus den 'Denksilos' herauslösen. Um Diversität neu zu denken, ist die Standardisierung ein Best-Practice-Modell", ist Fischler überzeugt.

Standards können helfen, mit Diversität erfolgreich umzugehen: Unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen und Branchen aus verschiedenen Ländern mit vielfältigen, manchmal auch widersprechenden Ideen, Interessen und Meinungen arbeiten gemeinsam an sinnvollen Lösungen für konkrete Probleme aus der Praxis.

Während bestehende Diversitätsbestrebungen in Unternehmen oder im Bereich der Politik oft schleppenden Erfolg zeigen und nicht selten zu Entscheidungsstillstand oder zur Polarisierung von Meinungen führen, schafft es die Standardisierung, die Diversität von Gedanken, Fähigkeiten und Meinungen zusammenzuführen. Denn Standards entstehen in einem Prozess, der offen und transparent ist und der das Ziel hat, einen fachlich-inhaltlichen Konsens herzustellen. Auf diese Weise tragen Standards auch zur Resilienz bei: von Produkten, Dienstleistungen, Verfahren oder Prozessen und insgesamt von Wirtschaft und Gesellschaft.

Klaus Wucherer & Peter Skalicky: Digitalisierung verändert alles

"Die Digitalisierung bringt tiefgreifende Veränderungen für alle Bereiche der Wirtschaft mit sich. Die aktive Teilnahme am digitalen Wandel und die erfolgreiche Bewältigung seiner Folgen sind ein wesentlicher Faktor der europäischen Standortpolitik", ist Honorary-Board-Mitglied Klaus Wucherer, Aufsichtsratsmitglied mehrerer deutscher Unternehmen und ehemaliger Präsident der International Electrotechnical Commission IEC, überzeugt.

"Normung ist ein wirksames Instrument, um den digitalen Wandel zu beschleunigen und Chancen zu nutzen. Im Zeitalter des Internet of Things und Industrie 4.0 spielen Standards eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, technische Systeme und Anwendungen vernetzbar, effizient und sicher im Betrieb zu machen", betont auch der ehemalige Rektor der TU Wien, Peter Skalicky.

Die Digitalisierung wird aber auch im Normungsprozess selbst neue Möglichkeiten schaffen und zugleich neue Anforderungen stellen: Durch die zunehmende Vernetzung von Geschäftsfeldern und Branchen lassen sich Themen der Standardisierung immer weniger klassischen Technikbereichen zuordnen. Auch beschleunigen technische Fortschritte und kürzere Produktzyklen den Normungsprozess. Es geht um ein rasches Reagieren mit sinnvollen Normen, die schnell Eingang in die Produktentwicklung finden.

Brigitte Ederer & Claus Raidl: Der Weltmarkt braucht Standards

Bereits heute sind mehr als 90 Prozent der in Österreich gültigen Standards europäischen bzw. internationalen Ursprungs. "Es gibt Studien, die zeigen, dass die Wertschöpfung eines Landes in direktem Zusammenhang steht mit dem Ausmaß der Anwendung internationaler Standards durch Unternehmen und andere Organisationen", sagt Brigitte Ederer, ehemalige EU-Staatssekretärin, vormals Vorstand in der Siemens AG und nun neues Mitglied im Honorary Board von Austrian Standards.

Die international erfahrene Managerin verweist auf China. In der vor rund drei Jahren vorgelegten "Made in China 2025"-Strategie wird die Beteiligung an der internationalen Normung klar als Teil der globalen wirtschaftlichen Expansionsstrategie gesehen - nicht von ungefähr verfolgt China seit längerem eine stark einflussnehmende Normungspolitik.

"Chinesische Firmen spielen längst auf Weltniveau und stoßen in vielen Bereichen bereits in Hochtechnologieregionen vor. Europa muss sich hier auch durch Wissensvorsprung differenzieren, um in Schlüsseltechnologien wie IoT und Blockchain wettbewerbsfähig zu bleiben und sich weiterhin als Innovations-Frontrunner international behaupten zu können", ist Claus Raidl, Präsident der Oesterreichischen Nationalbank, überzeugt.

Standards sind ein wichtiger Motor für Innovationen und unterstützen Unternehmen dabei, konkurrenzfähige und weltweit gefragte Produkte und Dienstleistungen auf die Märkte zu bringen. "Aus Standards geht hervor, welche Fehler schon einmal gemacht und überwunden wurden: Fehlinvestitionen in später nicht kompatible Systeme können durch rechtzeitige Standardisierung vermieden werden", so Raidl.

Christoph Badelt: Fairer Ausgleich als Basis für eine gute Zukunft

Für WIFO-Chef Christoph Badelt ist eine wesentliche Voraussetzung für eine zukunftsfitte Gesellschaft und Volkswirtschaft ein fairer Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anliegen. Es gilt, bei jeder Problemstellung diese drei Dimensionen mitzudenken und auf Basis dessen tragfähige Kompromisse zu schließen.

Der Prozess der Standardisierung erscheint unter dieser Zielsetzung als beispielgebend - "Menschen mit unterschiedlichsten Interessen und Problemstellungen feilen solange, bis eine gute Lösung zustande kommt, die auch eine Zeit lang hält", so Badelt. Und damit noch mehr Interessierte an diesem Prozess teilnehmen können, ist es nur zu begrüßen, dass die bewährten Möglichkeiten zur Entwicklung von Standards - siehe ISO und CEN - von Austrian Standards um neue, digitale Plattformen erweitert werden.

Carl Baudenbacher: Coregulierung stärkt Resilienz politischer Institutionen

Es steht außer Zweifel, dass Standards viel zur Erreichung von Zielen beitragen, an denen auch die Politik ein großes Interesse hat, wie die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder der Schutz des Klimas. Mit dem "New Approach" nutzt die Europäische Kommission die Normung schon seit Jahrzehnten, um die europäische Gesetzgebung zu vereinfachen und bei der praktischen Umsetzung gesetzlicher Vorgaben Praxisnähe sicherzustellen. Nach dem Prinzip der Coregulierung gibt der Gesetzgeber vor, was geschehen muss, und definiert in Richtlinien und Verordnungen grundlegende Anforderungen. Er überlässt es dann aber der freiwilligen Standardisierung, konkrete Lösungen zu erarbeiten.

Effiziente Normung kann als Instrument der Deregulierung eingesetzt werden und die Resilienz politischer Institutionen erhöhen, so der Schweizer Jurist Carl Baudenbacher: "Wo freiwillige Normen für faire und akzeptierte Lösungen in der Praxis sorgen, bedarf es nicht zwingender Gesetze. Ein flexibles und innovationsoffenes System bewahrt vor starren Regeln, denn Normen lassen sich rascher als Gesetze an geänderte Rahmenbedingungen und technische Neuentwicklungen anpassen."

Helga Nowotny: Lernen, sich das Risiko zum Freund zu machen

Die Geschwindigkeit der Veränderung ist heute aufgrund der Digitalisierung drastisch angestiegen. Neben bekannten Risiken kommen neue hinzu, die man noch nicht kennt. Die anerkannte Soziologin und Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny hat die Unsicherheit erforscht und dabei gelernt, dass man sich das Risiko zum Freund machen muss.

"Lineare Denk- und Handlungsmuster sind von gestern. Wir müssen lernen, flexibel zu sein, Umwege zu machen und Risiken einzugehen. Es geht um eine neue Balance zwischen Regelhaftigkeit und Offenheit", so die Vorsitzende des ERA Council Forum und Mitglied des österreichischen Rates für Forschung und Technologieentwicklung.

Bereiche, die dies bereits erfolgreich bewerkstelligen, sind die Forschung und Standardisierung. "Hier hat man eine Balance gefunden, einerseits offen für Neues zu sein, Erkenntnisse immer wieder anzuzweifeln und - bei besserer Einsicht - zu verändern. Andererseits ist auch nicht alles beliebig, denn auf den aktuellen Stand des Wissens können sich Experten meist recht schnell einigen. Wesentlich ist die Offenheit des Prozesses, auf diese Weise schält sich allmählich eine Sicht heraus, auf die man sich bis auf Weiteres einigt. So lernt man, mit Ungewissheit umzugehen, ohne gleich alles in Frage zu stellen", so Nowotny.

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Mirjana Verena Mully, Head of Communications

Mirjana Verena Mully

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